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Channel: Die Welt um mich herum.
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Let it snow.

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Die kleine Pyramide mit dem Holzsammler, dem Jäger und der Pilzsammlerin dreht sich emsig im Kreis. Ein nimmermüdes Weihnachtskarussell möchte man meinen, doch wenn die Kerzen herunter gebrannt sind, bleiben die Figuren stehen und die heimelige Atmosphäre ist hinüber. Doch jetzt kreisen sie stumm Runde um Runde und es wundert mich, dass es den drei Leuten nicht schwindelig wird von der ganzen Dreherei. Aber sie schauen seit jeher freundlich stur geradeaus. Die Kerzen flackern ganz leicht.

Im Hintergrund singt Dean Martin etwas pathetisch Let It Snow. Es ist eines der wenigen Lieder, welches in mir weihnachtliche Stimmung auslöst. Dabei fällt mir ein, dass ich mir dieses Jahr mal wieder den sehr einfühlsamen Weihnachtsklassiker Stirb langsam anschauen sollte, denn in diesem Film ist der Song mehrfach an markanter Stelle zu hören. Bisher nahm ich an, dass Frank Sinatra das Lied als Erster zu Gehör brachte, aber dem ist nicht so, denn der Sänger, Trompeter und Orchesterleiter Vaughn Monroe nahm den Titel Ende Oktober 1945 zuerst auf. Der Song avancierte damals zur Weihnachtshitsingle. Frank Sinatra coverte den Song bereits 5 Wochen später, doch seine Version konnte die Monroe’sche Version nicht toppen. Wahrscheinlich ist deshalb im Film auch das Original zu hören. Aber sei es drum. Bei mir läuft die Fassung von Dean Martin im Player, vor allem deswegen, weil auf dem Silberling noch White Christmas, Winter Wonderland, Jingle Bells und vor allem Rudolph, The Red-Nosed Reindeer zu hören sind. Mit seiner beruhigenden Stimme bringt mich Mister Martin in eine seltsame Weihnachtsmelancholie und Vorfreude zugleich. Aber ich schweife ab.

Weihnachten hat Rituale. Deswegen sitze ich am Küchentisch und enthäute frisch gekochte Pellkartoffeln, die später in einen leckeren Kartoffelsalat münden werden, der zum Heiligabend etliche Familienmitglieder in ein Tage andauerndes Fresskoma schicken wird. Mich natürlich einbegriffen.

Doch der Kartoffelsalat und die dazu gereichten Würstchen sind nur der Anfang einer langen Völlerei. Es naht der erste Feiertag bei den Schwiegereltern, die das ganze Jahr auf diesen einen Tag essensversorgungstechnisch hingearbeitet haben. Am zweiten Weihnachtsfeiertag, der zugleich Geburtstag meiner Mutter ist, wird so manches Fünf-Sterne-Restaurant vor Neid erblassen. Nächtens werde ich von gebratenen Gänsekeulen, Rindsrouladen und Wiener Würstchen träumen, die ein Weihnachtsballett aufführen und sich anschließend einen erbitterten Schwimmwettkampf in der Rotweinsauce liefern. Diese kulinarische Alpträume werden mich bis ins neue Jahr begleiten, aber das werde ich hoffentlich überleben. Ich habe ja 51 Wochen Zeit, mich davon zu erholen.

Inzwischen schneide ich die Kartoffeln in Scheiben und vermenge sie mit den anderen Zutaten zu einem leckeren Salat. „Fröhliche Weihnachten!“ ruft mir John McClane mit seinem schelmischen Lächeln zu. Im Hintergrund läuft dank der Repeat-Funktion des CD-Players erneut Let it snow. Draußen fangt es ganz sachte an zu schneien.


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